Eine ausführliche Geschichte des Vereins (von Karl Anderlohr) findet sich in Folge 50 der Schriftenreihe des GMV (2009).
Hierauf basiert die folgende Kurzfassung:
Die Erforschung der (etwas despektierlich so genannten) „Heimatgeschichte“ hat im Raum Lohr eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert waren es Kaplan Georg Höfling und Dr. Friedrich Stein, die sich im Rahmen der u. a. von König Ludwig I. geförderten Geschichtsbegeisterung intensiv und überwiegend erstaunlich solide und zuverlässig mit der Geschichte ihrer Heimatstadt Lohr befassten (s. Publikationen zur Stadt- und Regionalgeschichte). 1934-1968 erschienen im „Heimatland“, der heimatkundlichen Beilage der Lohrer Zeitung, zahlreiche und immer noch wichtige Beiträge.
Es passte in die Zeit des „Wirtschaftswunders“, sich wieder verstärkt mit der Geschichte zu beschäftigen, jedenfalls mit der, die schon lange zurücklag. Otto Schecher, junger Student der Geschichte, war auf das Thema „Grafen von Rieneck“ gestoßen, über die es zwar schon einiges gab, die es aber noch genauer zu erforschen galt. Das Vorhaben befeuerte den Plan einer Vereinsgründung. Wie in vielen anderen Städten auch war es das „Bildungsbürgertum“, das sich engagierte: Verleger, Ärzte, Lehrer, Architekten – aber auch andere historisch Interessierte. Eine zentrale Frage war die nach dem „Alter“ der Stadt Lohr, denn man kannte nur die Urkunden aus dem späten 13. Jh. und wusste nicht so recht, wo eigentlich die Ursprünge lagen; es dauerte lange, bis man sie in karolingischer Zeit sah, und noch viel länger, bis man noch viel weiter zurückblicken konnte. Historisches Denken war damals sehr statisch und lokal fixiert.
Jedenfalls nahm der Verein Ende des Jahres 1958 allmählich Gestalt an, am 3. Juni 1959 erfolgte die „konstituierende Versammlung“, der Verein war gegründet. Schnell wurde aber auch moniert, dass man sich zu sehr auf die mittelalterliche Geschichte verlege – leicht gesagt, wenn niemand die jüngere Geschichte bearbeiten wollte. Und auch für das Mittelalter gab es genug zu tun, zumal mit Dr. Waldemar Weigand, u. a. Kenner der Geschichte des Klosters Schönrain, eine Kapazität zur Verfügung stand. Das Thema „Rieneck“ beschäftigte in den Anfangsjahren den Verein am intensivsten, was auch gut war: Ohne die Kenntnis der Geschichte des Grafengeschlechts kann man die Geschichte der Main-Spessart-Region nicht erfassen. 1963 erscheint Schechers Dissertation zum Thema, die freilich 20 Jahre später durch die Arbeit d. V. überholt wurde, für diese aber die hilfreiche und unentbehrliche Grundlage war. Historische Arbeiten bauen aufeinander auf.
Der junge Verein war sehr aktiv. Heute ist fast vergessen, was damals für die Erforschung und den Erhalt der Baudenkmäler der ehemaligen Benediktinerabtei Neustadt a. M. getan wurde. Es ist dem Verein zu verdanken, dass Teile des ehemaligen Kreuzgangs in Frankfurt gefunden und 1971 nach Neustadt zurückgebracht werden konnten. Vorträge und Exkursionen erweiterten das geschichtliche Bild – in ihrem Stellenwert sind sie hoch anzusiedeln, die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten konnten sich höchstens Science-Fiction-Autoren vorstellen. Immer auch ging der Blick über die Stadt hinaus in die Region. Übersehen darf man auch nicht: Der Verein zählte nur um die 80 Mitglieder, doch die Breitenwirkung über Kontakte und über Nachrichten in der Presse erreichte viele Leute.
Wie in der Satzung verankert: Der GV kümmerte sich auch um den Denkmalschutz. Das (ursprünglich wohl rieneckische) Schloss in Wiesen (damals noch Teil des Altlandkreises Lohr) wäre längst der Spitzhacke zum Opfer gefallen, hätte sich nicht auch der GV eingeschaltet. Der 1972 vor einer neuen und gewaltigen Aufgabe stand: Die Landkreisreform zerschlug die gewohnten Strukturen, das 1936 gegründete „Heimat- und Spessartmuseum“ sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Es war der GV, der sich engagierte, sich 1976 in „Geschichts- und Museumsverein“ umbenannte, der Verhandlungen führte und neue Objekte beschaffte. Der Landkreis übernahm schließlich das Museum (von da an: „Spessartmuseum“) und stellte 1980 mit Werner Loibl einen hauptamtlichen Leiter ein. Loibl und sein Nachfolger Herbert Bald (bis 2016) schufen ein modern konzipiertes und weit überdurchschnittlich attraktives Museum. Der GMV stand helfend zur Seite, wo immer es nötig war. Der Ankauf zweier bedeutender Bibliotheken, heute die „Franconica-Sammlung“ der Stadtbibliothek, verbreiterte die Basis für weitere historische Forschungsarbeit.
1983 kam und damit das Jahr, die Stadtrechtsverleihung von 1333 gebührend zu feiern. 15 Autoren erstellten eine Festschrift zu verschiedenen Aspekten der Stadtgeschichte, bis heute ein wichtiges Nachschlagwerk. Mit der Ausstellung „Glück und Glas“ des Hauses der Bayerischen Geschichte 1984 wurde das Museum endlich überregional bekannt und gewürdigt. Die folgenden Jahrzehnte brachten zahlreiche Sonderausstellungen, und auch der Kernbestand wurde immer wieder attraktiv verändert und erweitert. 1986 feierte das Museum sein 50-jähriges Bestehen, die Zeitschrift des Bayerischen Landesvereins für Denkmalpflege „Schönere Heimat“ veröffentlichte u. a. einen satirisch gemeinten Artikel von Dr. Karlheinz Bartels „War Schneewittchen eine Lohrerin?“. In den folgenden Jahren wurde daraus ein Medienereignis, die Frage wurde zur Aussage – die Märchenfigur ist ein Teil der Stadtgeschichte geworden, und das ist auch gut so, wenn man es nicht übertreibt und wenn niemand glaubt, die Stadt habe tatsächlich etwas mit der Entstehung dieses Märchens zu tun. Dagegen wartet man noch immer darauf, dass eine Partnerschaft mit Borgloon (Belgien) entstünde, mit der Stadt, aus der im 11. Jh. die späteren Grafen von Rieneck nach Franken kamen. 2009 konnte der GMV sein 50-jähriges Bestehen feiern, seit 2012 erscheinen die „Beiträge zur Geschichte der Stadt und des Raumes Lohr“.
Auch in Zukunft gibt es genügend Themen, um die sich der Verein kümmern will, soll und muss. Stellen Sie sich vor, es gäbe ihn nicht: Dann sähen Lohr und die Welt anders aus, aber sicher nicht besser.